Intensivkurs in Mitgefühl und Dankbarkeit

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Sandra Brechenmacher arbeitet als Heilpädagogin in einer Tagesgruppe im Hoffmannhaus Wilhelmsdorf. Wegen Corona ist sie in einer Lerngruppe eingesetzt. Dort begleitet sie Kinder, die stationär im Hoffmannhaus leben und auf eine öffentliche Schule gehen, zurzeit aber keinen Unterricht haben, sowie deren Eltern. Im Freundesbrief schildert sie ihre Erfahrungen.

Ich finde gut, dass die Leitung schnell auf die Situation reagiert hat und den Kindern eine alternative Struktur bietet. Corona bedeutet ja eine extreme Herausforderung: Heute gilt dies, und morgen gibt´s neue Infos und der Rhythmus ist wieder anders. Das fordert alle sehr heraus.

Eine Lerngruppe läuft etwas lockerer ab als die Betreuung während der Schulzeit. Mich fasziniert, wie unbeschwert die Kinder die Umstellung bewältigen und sich auf das veränderte Lernen einlassen. Vor allem die Jungs finden gut, dass sie mehr Freizeit haben. Wenn die Kinder etwas nervt dann höchstens, dass sie sich ständig die Hände waschen sollen.

Auch mir bringt die Lerngruppe ein Stück Normalität. Bei der Arbeit kann ich das ganze Corona-Drama weitgehend vergessen. Ich lerne, mehr auf Kleinigkeiten zu achten. Die Frage „Wie geht´s?“ wird ehrlicher gestellt und beantwortet. Begegnungen sind intensiver, Beziehungen werden bewusster wahrgenommen. Man kümmert sich stärker umeinander, die Dankbarkeit wächst. Insofern hat diese Zeit auch ihr Gutes.

Die Arbeit mit Eltern bleibt intensiv

In den Tagesgruppen gibt es normalerweise einmal im Monat einen Hausbesuch. Die Betreuer gehen mit dem Kind in die Familie und erkundigen sich bei den Eltern, wie es läuft. Manchmal vermitteln wir zwischen Schule und Elternhaus, wenn es beim Lernen Fragen oder im sozialen Verhalten Schwierigkeiten gibt. Oder wir erarbeiten gemeinsam konkrete Themen, zum Beispiel den Umgang mit Medien.

Die Elternarbeit ist jetzt noch intensiver geworden. Kontakte finden ein- bis zweimal pro Woche statt. Mir fällt auf, dass wir schneller bei kritischen Themen ankommen, zum Beispiel: „Habt ihr eine gute Struktur für euren gemeinsamen Tagesablauf gefunden? Wie kommen die Kinder, aber auch die Eltern, mit der Nähe in der Wohnung zurecht?“

Oft ist es nötig, in den Familien Druck rauszunehmen. Schule ist zurzeit ja eine zusätzliche Belastung. Kinder und Eltern sind nicht gewohnt, dass man zuhause lernen muss. Ich ermutige die Eltern, es nicht so eng zu sehen, wenn ihre Kinder nicht alles schaffen. Öfters mal Pause machen. Nicht drängeln. Nicht schimpfen. Manchmal empfehle ich sogar, mehr Medienkonsum zu erlauben als üblich. Meistens sind die Eltern dankbar, dass wir uns so viel Zeit nehmen. Sie schätzen unsere Unterstützung.

Wir sind relevant für das System

Was mir Mut macht? Zum Beispiel die Feststellung einer Freundin: „Mensch Sandra, du arbeitest ja in einem systemrelevanten Beruf. Danke, dass du das machst!“ Durch diese Rückmeldung habe ich meine Arbeit in einem neuen Licht wahrgenommen. Das hat mich enorm motiviert und vermittelt mir eine Wertschätzung, die wohltut.

Tatsächlich ist jede Arbeit im Hoffmannhaus systemrelevant, die der pädagogischen Mitarbeitenden genauso wie die in Technik, Hauswirtschaft und Verwaltung. Die Kollegen in den Büros müssen ja das ganze Chaos organisieren, täglich neue Auflagen und Gesetzesbestimmungen lesen, Entscheidungen treffen und den anderen Mitarbeitenden vermitteln, was umgesetzt werden muss und was nicht. Es ist schon ein ordentliches Paket, was Jugendhilfe alles leistet.

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