Jede Woche kommen drei bis vier Jugendliche zu unserem Treffen. Anfangs spielen wir, um eine lockere Stimmung zu schaffen. Manchmal kommt ein Jugendlicher auch „geladen“ an. Dann thematisieren wir, was der Grund für seine Aggression ist, sofern er das will. Daraus entwickeln sich oft weitere Gespräche. Für geplante Themen habe ich Arbeitsblätter entwickelt, z.B. „Der Wunsch nach dem eigenen Auto“ oder „Erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht“. Gemeinsam beraten wir, wie teuer ein Wunschauto sein darf, wie die Finanzierung geplant wird und was nötig ist, um überhaupt Geld zu haben.
Spannend ist immer die Frage, was Mädchen an Jungs mögen und umgekehrt. Aus Mädchengruppen, die eine Kollegin leitet, bekomme ich deren Aussagen. So können sich die Jungs mit Erwartungen des anderen Geschlechts vertraut machen. Oft entwickeln sich daraus interessante Diskussionen: Wie stellt ihr euch eure Traumfrau vor? Wie sorgt ihr für eine gute Zukunft? Oder auch: Was macht dir Angst oder Sorgen? Was fasziniert euch an PC-Spielen?
Im Rahmen unseres Jahresmottos habe ich mit Jugendlichen über Hoffnung, Vertrauen und Respekt gesprochen:
Was macht euch Hoffnung? Freundschaft, Liebe und Familie oder einfach gute Beziehungen. Mein Leben kann ich mir ohne Hoffnung nicht vorstellen! Ich habe keine Hoffnung, sondern eher Angst vor der Zukunft!
Wann habt ihr Vertrauen? Meine Mutter hat mir viel geholfen; ich denke gern an ihre Sätze. Wenn Menschen für mich da sind, mich verstehen, Interesse zeigen, gibt mir das Kraft. Wenn ich nicht vertrauen kann, ist es in mir kalt, wird mir alles egal, tue ich Dinge, die ich später bereue. Es gibt Erzieher, denen ich vertraue, bei denen fällt mir das Reden leicht.
Wann und vor wem habt ihr Respekt? Respekt kann ich zeigen, wenn ich mich zu Hause fühle und spüre, dass andere es gut mit mir meinen. Bei Freunden fällt es mir leicht, Respekt zu zeigen; bei unangenehmen Personen reagiere ich oft
heftig und verliere die Kontrolle.
Unsere Jungengruppen bieten ein optimales Übungsfeld für soziales Lernen und Verhalten. Jeder kann seine Meinung sagen, aber es darf niemand beschimpft, beleidigt oder bedroht werden. Das klappt gut, weil ich sofort darauf hinweise, wenn Verhaltensregeln nicht beachtet werden, damit die Stimmung nicht eskaliert. So lernen die Jugendlichen zuzuhören, ihre Meinung auszudrücken und die Einstellungen anderer zu akzeptieren, auch wenn diese gar nicht den eigenen entsprechen. Zum Abschluss machen wir es uns nochmal gemütlich bei Cappuccino und Keksen, sprechen und haben viel Spaß miteinander. Das tut den Jungs richtig gut, auch wenn manche zeitweise eher aggressiv sind oder nur zurückhaltend teilnehmen.
Jede Jungengruppe und jedes Treffen ist anders, und auch nach 20 Jahren macht mir diese Arbeit noch großen Spaß. Ich glaube für jeden der uns anvertrauten jungen Menschen, dass sie eine gute Zukunft haben können. Mein Wunsch und meine Überzeugung ist, dass sie im Hoffmannhaus Unterstützung bekommen, um sich möglichst positiv zu entwickeln und viele gute Erfahrungen machen, die sie im Leben weiterbringen.
Bernd Riekert